Ist der Immobilienmarkt außer Kontrolle? Prof. Dr. Jan Viebig bringt seine Expertise ein, um das Phänomen der sinkenden Preise trotz vermeintlich hoher Nachfrage zu analysieren und die Ursachen dieses paradoxen Trends auf dem Immobilienmarkt näher zu beleuchten.
Aktueller Wohnraumbedarf steigert nicht automatisch die Nachfrage nach Immobilien
Der Begriff „Wohnraumbedarf“ unterscheidet sich von der tatsächlichen Nachfrage. Obwohl es nach wie vor einen hohen Bedarf an Wohnraum gibt, äußert sich dieser Bedarf nicht in Form einer entsprechenden Nachfrage. Es gibt mehrere Gründe dafür: Erstens sind die Baukosten erheblich gestiegen, was potenzielle Käufer vom Markt fernhält.
Zweitens hat die Bundesregierung durch die Vorankündigung des Heizungsgesetzes für Verunsicherung gesorgt, wodurch die Angst vor unvorhersehbaren Sanierungskosten zu Preisabschlägen bei Bestandsimmobilien geführt hat.
Drittens lastet der markante Anstieg der Zinsen auf dem Immobilienmarkt. Aus Sicht eines Käufers erhöhen sich die Finanzierungskosten, was den Druck auf die Kaufpreise erhöht. Aus Sicht eines Immobilieninvestors müssen die Renditen eines Objekts mit den Finanzierungskosten und den Renditen alternativer Anlageinstrumente verglichen werden. Wenn die Marktzinssätze von 0 auf 3 bis 4 Prozent steigen, muss die Immobilienrendite entsprechend höher sein, um attraktiv zu bleiben. Dies erfordert eine Preisanpassung nach unten.
Die Rolle der Zinspolitik der EZB bei der aktuellen Situation am Immobilienmarkt
Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank scheint einen erheblichen Einfluss auf die Verschärfung der Lage auf dem Immobilienmarkt zu haben. Die schnelle Anhebung der Leitzinssätze auf aktuell 4 beziehungsweise 4,5 Prozent wirkt sich direkt auf die Hypothekenzinssätze und andere Kreditzinssätze aus.
Dennoch liegt es nicht in der Verantwortung der EZB, den Immobiliensektor zu schützen, sondern vielmehr, für Preisstabilität zu sorgen. Veränderungen im Zinsumfeld werden als normale Geschäftsrisiken auf dem Immobilienmarkt betrachtet.
Wie wirkt sich die Zuwanderung der vergangenen Jahre auf den Immobilienmarkt aus?
Aktuelle Schätzungen deuten darauf hin, dass in Deutschland etwa 700.000 Wohnungen fehlen. Dieser hohe Bedarf resultiert aus verschiedenen Faktoren, darunter die anhaltend starke Zuwanderung der letzten Jahre und der wachsende Platzbedarf in Haushalten. Insbesondere in den Metropolregionen konzentriert sich der Bedarf an Wohnraum.
Dennoch mangelt es vielen potenziellen Käufern an finanzieller Kapazität, was zu einer Abnahme der effektiven Nachfrage nach (Kauf-)Immobilien geführt hat. In Anbetracht der aktuellen Situation besteht die mittel- bis langfristige Gefahr, dass die Mieten (weiterhin) erheblich steigen, da aufgrund des geringeren Neubauniveaus die Marktknappheit verschärft wird.
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Was könnte die Politik kurzfristig tun um den Immobilienmarkt zu stützen?
Die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland sind derzeit geprägt von hoher Komplexität und hohen Kosten. Es wäre sinnvoll, wenn die Regierung klare und leicht verständliche Förderprogramme einführen würde. Viele Bürgerinnen und Bürger haben vor allem die häufigen Änderungen in der Förderpolitik der KfW als chaotisch empfunden. Die Vorschriften für das KfW-Effizienzhaus 40 sind zu kompliziert, und das Gebäudeenergiegesetz hat zu unnötiger Verunsicherung geführt. Die Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsverfahren hingegen wird schon seit Jahren nicht ausreichend vorangetrieben.
Um in Deutschland nicht nur 200.000, sondern 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen, sind eine zuverlässige Förderung und langfristige KfW-Zinskonditionen dringend erforderlich. Der Staat könnte außerdem durch steuerliche Anreize unterstützen, beispielsweise durch eine Senkung der Mehrwertsteuer oder der Grunderwerbssteuer, um Wohnraum erschwinglicher zu machen. In einigen Bundesländern beträgt die Grunderwerbssteuer mehr als 6 Prozent. Degressive Abschreibungsmöglichkeiten könnten die Bautätigkeit stimulieren, und Bauministerin Geywitz könnte hier mutiger vorgehen. Die Umwandlung von Büroimmobilien in Wohnimmobilien sollte vom Staat nicht erschwert, sondern vereinfacht werden.
Generell sollten alle Faktoren, die die Bautätigkeit hemmen, überprüft werden. Kurz gesagt: Eine Reduzierung der Bürokratie, klar verständliche Förderprogramme und eine verringerte Steuerbelastung können die Bautätigkeit auch in Zeiten steigender Zinsen und Baukosten ankurbeln. Quelle
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Marvin Albrecht